Morgens geht’s mit dem Carsharing-Auto zum Flughafen – gebucht über die App auf dem Smartphone. Die Konferenz in Bulgariens Hauptstadt wäre sicher auch via Livestream spannend gewesen, aber so teuer ist das Zimmer bei Milena nicht – gebucht über die entsprechende App. Am nächsten Tag bleibt noch etwas Zeit für einen Kaffee im Betahaus Sofia: Mails checken, die Präsentationen mit der Creative Commons-Lizenz hochladen, den passenden Blogbeitrag schreiben, vielleicht noch den Wikipedia-Artikel zum Thema kurz überarbeiten?

Wir leben in einer Netzwerkgesellschaft. Kollaborativer Konsum und Soziale Medien gehen Hand in Hand. Wir produzieren und konsumieren gleichermaßen. Wir teilen vielleicht nicht alles, aber vieles: Statusmeldungen, Wissen und letztendlich immer öfter den Arbeitsplatz – in sogenannten Coworking Spaces.

Dort kann jede und jeder einen temporären Arbeitsplatz auf Tages-, Wochen- oder Monatsbasis mieten. Die Infrastruktur wird von den Be­treiberInnen des jeweiligen Coworking Spaces gestellt. Die­se variiert in Ausstattung und Preis. Auch die Intentionen und Vorstellungen zur Zu­sammenarbeit variieren stark. Der Grad der Vergemeinschaftung und das Ausmaß der virtuellen und realen Vernetzung der Mitglieder ist unterschiedlich ausgeprägt, aber immer ein elementarer Bestandteil der Coworking-Bewegung. Nach neuesten Erkenntnissen von Deskmag, dem Online-Magazin rund um Coworking und seine Räume, öffnete im Juli der 3000. Coworking Space seine Türen (im März 2012 waren es noch 1700). Die Branche boomt.

Es gibt unheimlich viele verschiedene Varianten der Umsetzung des Coworking-Modells. Die globale Coworking Landschaft ist ausdifferenziert und reicht von kleinen individuellen (Atelier-) Räumen mit angegliederten Cafés bis hin zu großen professionellen Bürokomplexen. Viele Coworking Spaces sind branchenorientiert, teilen aber alle gemeinsame Wertevorstellungen: Zusammenarbeit, Offenheit, Gemeinschaft, Zugang und Nachhaltigkeit (Collaboration, Openness, Community, Accessibility, and Sustainability. Quelle: coworking.com).

Von Anfang an mit dabei waren das Gründer-Team des Betahauses Berlin und die vielen Köpfe, die sich hinter der HUB-Bewegung verbergen. Beide sind bis heute stetig gewachsen, mit Höhen und Tiefen, und stellen spannende Beispiele für den internationalen Projekttransfer dar.

Betahaus: Erst ein, dann zwei, dann fünf, jetzt vier

Das erste Betahaus öffnete 2009 am Berliner Moritzplatz seine Türen zu 2000qm Arbeitsraum auf mehreren Etagen als eine GmbH & CO. KG. Neben flexiblen gibt es auch feste Arbeitsplätze sowie kleine Office-Bereiche für Teams oder größere Besprechungsräume. Dort finden Freiberufler und Angestellte externer Firmen genauso ein Zuhause wie einige von Berlins aufstrebenden Startups. Für größere Veranstaltungen gibt es ebenfalls Platz. Ein Herzstück des Betahauses ist das Café im Erdgeschoss, wo auch nicht-Mitglieder in den Genuss der kreativen Arbeitsatmosphäre kommen können. Die Community tauscht sich in eigenen Workshops, Vorträgen und verschiedenen Veranstaltungsformaten aus. Ein besonderes Extra in Berlin: Die Open Design City, ein Werkstattbereich, der nicht nur Designerherzen höher schlagen lässt.

Neben Berlin gibt es weitere Ableger in Köln und Hamburg. Darüber hinaus gibt es Filialen in Sofia und Barcelona. Der Transfer funktioniert hier über gemeinsame Werte und Vorstellungen vom gemeinsamen Arbeiten. Während in der Coworking Space in Barcelona gerade erst eröffnet wurde, haben die Teams in Köln und Hamburg mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen.

Kölner Betahaus schließt im April

Im Frühjahr 2013 konnte in Köln die Insolvenz der betahaus Köln GmbH & CO. KG nicht mehr abgewendet werden. Die Sanierungsmaßnahmen im Zuge des Insolvenzverfahrens scheiterten gleichermaßen wie die Suche nach einem neuen Objekt. Nach eigenen Angaben war das Modell nicht rentabel, das Team ausgelaugt und es gab Probleme mit dem Vermieter. Rettungsaktionen der Community scheiterten, zeigten aber einen starken Zusammenhalt.

Hamburg vorerst gerettet

Auch das Betahaus Hamburg musste Mitte diesen Jahres Insolvenz anmelden, konnte aber seine Türe vorerst für die CoworkerInnen offen halten. Als Grund wird immer wieder die Konkurrenzsituation angegeben. Im Rahmen dieser vorläufigen Insolvenz wurde die hub23 coworking UG gegründet. Gemeinsam mit neuen InvestorInnen und neuen Strukturen bleibt das Betahaus Hamburg vorerst am alten Standort erhalten, plant aber einen Umzug im nächsten Jahr. Mit einer neuen Tarifstruktur soll ein größeres Augenmerk auf Events und langfristige Mitgliedschaften gelegt werden. Auch hier wurde klar, dass hinter dem Coworking Space eine starke Community steht, die sich in einem offenen Brief an die Insolvenzverwalter wandten.

Impact-Hubs: Gelungener Transfer mit Standortabhängigkeit

Auch bei der Hub-Bewegung gibt es Höhe und Tiefen. Mittlerweile gibt es über 40 Hubs auf fünf Kontinenten. Weitere stehen in den Startlöchern. Dabei funktioniert das Social Franchise über die internationale Marke als Dach aller Hubs weltweit: die Impact HUB GmbH mit Sitz in Wien. Um ein eigenes Hub zu eröffnen unterliegen die potenziellen GründerInnen der einzelnen Filialen Regeln und jährlichen Gebühren, die je nach Standort variieren. Dafür haben sie aber vollen Zugang zur “Basisstation” inklusive Beratung und Corporate Design.

Das erste Hub wurde 2005 in London gegründet. Dort gibt es nun schon drei Filialen. Dabei sind alle einzelnen Hubs eigene Firmen. Im Zuge der #HelloImpact-Kampagne werden alle “alten” Hubs zu sogenannten Impact Hubs. Die Hauptzielgruppe bleiben weiterhin SozialunternehmerInnen, die mit ihren Ideen die Welt ein bisschen besser machen wollen.

In Deutschland gibt es momentan zwei Impact Hubs. Nachdem ein erster Anlauf in Berlin scheiterte, befindet sich das neue GründerInnenteam noch in der Startphase. Mitglieder werden trotzdem schon geworben. Das Hub München hingegen ist schon gut besucht. Hier soll ein Zentrum für soziale Innovation und gemeinwohlorientiertes Wirtschaften entstehen. Arbeitsplätze und Räume für Events aller Art stehen den Mitgliedern seit Februar 2013 zur Verfügung.

Das Modell Coworking ist im Zuge der Reorganisation von Arbeit in der Wissens- und Netzwerkgesellschaft nicht mehr wegzudenken. Dabei gibt es nicht nur Erfolgsgeschichten – wie in allen innovativen Bereichen. Die nächsten Jahre werden zeigen ob Coworking mehr als nur eine Antwort auf die Wirtschaftskrise ist und die unterschiedlichen Modelle nebeneinander koexistieren können. Eins ist schon jetzt klar: Viele der Start-Ups, die uns die Möglichkeiten zu kollaborativer Arbeit und Konsum bieten, haben ihren Ursprung in Coworking Spaces.

Coworking leipzig Johanna Voll

Leipziger Coworking Space Rockzipfel

Dieser Beitrag erschien auch auf www.opentransfer.de.